Karl Bund |
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Georgstr 29 |
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52078 Aachen |
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D I E Z E I T V O M 10. 9. - 9. 10. 44 |
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Chronist G. MÜLLENMEISTER |
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10.9.44 |
Vor dem 10. 9. 44 schon gingen durch die Stadt Aachen Gerüchte |
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über eine bevorstehende Räumung, die die Einwohner in höchste |
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Erregung brachten. |
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Zeitweise wurden sie widerrufen, um alsbald von neuem aufzu- |
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tauchen und die Bevölkerung in eine aufs höchstmaß gesteigerte |
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Angst und Unruhe zu versetzen. Viele quälten sich mit dem |
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Zweifel: Was tun? Räumen mit dem Abtransport? - Oder in der |
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Stadt bleiben? |
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In beiden Fällen drohte Gefahr, eine Zukunft, deren Ungewißheit |
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uns vor Schrecken beben ließ. |
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Phantastische Gerüchte über all das, was in beiden Fällen über |
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uns hereinbrechen könnte, schwirrten wie Giftkäfer durch die |
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Stadt. |
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Denen, die hier verweilen wollten, versprach man Bombenteppiche |
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auf den Westwall, auf die Stadt, die Bunker, genau so wie auf |
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den Atlantik-Wall, nachher Beschuß der durch die Stadt ziehenden |
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Feindtruppen durch unsere Wehrmacht - eine Stadt ohne Licht, |
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Gas und Wasser, ohne Zufuhr von Lebensmitteln. Im anderen Falle |
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winkte Feindbeschuß der Züge, Flüchtlingselend auf unbestimm- |
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te Zeit - Verlust des häuslichen Besitzes, der Existenz. - |
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Manche hielten den Westwall für widerstanfsfähig auf Monate. |
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Aber dann stand Aachen unter beiderseitigem Beschuß. |
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Am 10. 9. ist Hinmler in Aachen zur Besichtigung der Verteidi- |
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gungsanlagen als Beauftragter vom Führer. |
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Spät am Abend betrete ich unsere Bunkerzelle und finde dort |
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Menschen, die durch Angst und Zweifel der Ohnmacht und Zerris- |
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senheit anheimfielen. |
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Plötzlich horchen wir alle auf. Eine maßgebende Persönlich- |
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keit, die mit dem OB in Verbindung steht, hält eine tröstli- |
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che Rede. Der Herr Oberbürgermeister läßt den Aachnern sagen, |
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daß er vorläufig nicht an Räumung denke. H. sei hier gewesen, |
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habe versichert, daß eine Befreiung der deutschen Truppen aus |
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dem Kessel bei Antwerpen zu neuen Hoffnungen berechtige. |
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Wie von einem Sturmwind herausgefegt wich die Friedhofsstim - |
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mung aus unserer Zelle und machte der alten Fidelitas Platz. |
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Das Stimmungsbarometer stieg bei der Tasse Bohnenkaffee, man |
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aß wieder mal ein Butterbrot mit gutem Appetit. |
11.9.44 Trotzdem herrschte am 11. 9. wieder Panikstimmung in der Stadt.
Die Einkaufspanik, die sich besonders auf Lebensmittel erstreckte, | |
steigerte sich. Im Laufe des Tages wurde bekannt gegeben, daß | |
bis 7 Uhr Mütter mit Kindern und alte Leute Gelegenheit hätten, | |
abzudampfen. | |
Viele hatten in den vergangenen Tagen Aachen bereits verlassen, | |
um entfernte Verwandte aufzusuchen, mußten aber dafür einen be- | |
sonderen Polizeiausweis haben. | |
Immerhin waren noch am 9. 9. in Aachen an 98.000 Einwohner | |
Lebensmittelkarten ausgegeben worden. 12.9.44 Am 12. 9. im Spätnachmittag bringt man unserem Haus (Peterstr.) | |
die Marschzettel. Abmarschtermin am 13. 9. um 8 1/2 Uhr, Beeckstr. | |
Es heißt: Hier in Aachen verweilen ist verboten. bisher war das | |
noch freigestellt. Grevenstein, die vorhatten, im Stollen zu | |
kampieren, kommen zurück. Alle Stollen und Bunker werden geschlos- | |
sen. | |
Am Abend holt Martin mich ab zwecks Übersiedlung zur Helfferich- | |
strase in Conrads Haus, wo auch Familie Corsten wohnt. Das Flucht- | |
gepäck ist auf ein Rad gebunden, das Martin unterwegs für 50 RM | |
und Zigaretten erhandelte. | |
Wir zieh’n durch fast menschenleere Straßen. ab und an taucht | |
ein Trupp Flüchtlinge auf, der zur Bahn wandert. | |
Kleine Handwagen, Kinderwagen aus allerhand Stilperioden, Koffer, | |
phantastische Rucksäcke, in der Eile aus allerhand kuriosem Tuch | |
hergestellt, kennzeichnen die Auswanderer. | |
In der Helfferichstraße gedachte ich eine im Sinne von Martin C. | |
zum Verweilen in Aachen entschlossene Gesellschaft vorzufinden. | |
Statt dessen: Höchste angstpanik, fließende Tränen, nervöse Pack- | |
wut, ausgelöst durch eiligste Fluchtbereitschaft. Die eingeleg- | |
ten Eier werden zum Teil verschenkt, teils schonungslos aufgezehrt, | |
auf daß kein Fremder sie verzehre. | |
Nicht nur Proviant, Kleider, Wäsche, auch ein Spinnrad, in einem | |
Sack verpackt, sollten mit auf die Flucht. | |
Martin hat sein ganzes Führertalent nötig; die aufgeregten Gemüter | |
auf die Bahn eines vernünftigen Handelns zu bringen. | |
Auch kopflose Nachbarschaft, die in der höchsten Not herbeigeeilt | |
war, mußte für Vernunftgründe reif gemacht werden, ging aber | |
schließlich entschlossen und dankbar nach Hause. Man fügte sich | |
Martins strengen Anordnungen, mit Fassung und Zuversicht hier zu | |
verweilen. | |
Aber gepackt wurde doch, um dennoch im gegebenen Fall auszukneifen. | |
Wir speisten zu Abend am runden Tisch im Eßzimmer. Gutes warmes | |
Essen! | |
Danach: Neue Erregung über die nächtliche Unterkunft. Stollen, | |
Bunker oder Hauskeller? | |
Den ängstlichen Gemütern entgegen dringt die Entscheidung durch: | |
Haus, bzw. Hauskeller. |
Ich schlafe auf der Couch im Wohnzimmer. Anhaltendes Flakschies- | |
sen von nah und fern. 13.9.44 Am 13. 9. löst die Flakstellung hinter unserem Hause sich auf. | |
Wir hören die Sprengungen, sehen die Brände. Abzug der Flaksol- | |
daten. | |
Viele Bewohner der Beverau waren entschlossen, nicht abzuwandern. | |
In Frankenberger Bunker sollen noch Tausende sein, die fest gewillt | |
sind, Aachen nicht zu verlassen. | |
In der Nacht hatte im Bunker ein Vertreter des Grafen Schwerin, | |
dessen Panzerdivision die Stadt zu verteidigen hat, zum Volke | |
gesprochen: Noch nie ist eine Stadt so unvorbildlich geräumt | |
worden wie Aachen. Partei und Polizei haben die Stadt verlassen, | |
noch ehe sie von Zivilisten geräumt war. Ein Abtransport der noch | |
Harrenden ist unmöglich. Das Volk soll bleiben und der Wehrmacht | |
zur Seite stehen. | |
In der Tat kamen die Leute, die gestern zur Bahn gingen, heute | |
zurück. Darunter auch Pfannschmidt, nachdem sie alle Vorräte | |
verzehrt hatten, unterwegs den Buttertopf zerbrochen, mußten sie | |
nun bleiben. | |
Viele Abtransportierte lagen bei Düren. Viele setzte man 15 km | |
von Aachen ab. Auf telef. Anrufe meldete sich kaum einer. Alle | |
waren scheinbar fort. Bloß die Franziskanerinnen (Kleinmarschier- | |
str.) meldeten sich, entschlossen zu bleiben. | |
Von ihnen erfuhr ich, daß der Block Peterstr. nicht mitgekommen | |
war am Bahnhof und in Aachen verblieben wäre. | |
Die Flak hörten wir nicht mehr, dafür aber Artillerie-Donner im | |
Westwall, immer lauter werdend. | |
Ich stehe mit Martin am Fenster, beobachte die anhaltenden Ein- | |
schläge in der deutschen Stellung im Wald, überall dem Höhenzug | |
entlang, wo es nach Aussage entfliehender Soldaten gespickt voll | |
deutscher Truppen stand. Am Abend fährt ein Auto mit Waffen S5 | |
vorbei. Der Offizier darin sagt, daß er Unterkunft für den Stab | |
sucht. | |
Er glaubt, daß ein Entkommen der Zivilbevölkerung aus der Stadt | |
unmöglich ist, sofern sie noch bis morgen wartet. | |
Nachdem die Flak den Gefechtsstand verlassen hatte, beginnen | |
Franz C. und Edg. Pf. zu organisieren in großem Stil. Es schwir- | |
ren ins Haus: 1 Sack eiserne Ration, 1 Kiste Knäcke Brot, 5 Ka- | |
ninchen, 1 Radiogerät, 80 l Benzin, Milch von den umherirrenden | |
Kühen. | |
Alle Mahlzeiten werden über der Erde eingenommen. | |
Am Abend drängen die ängstlichen Gemüter wieder, in den Stollen | |
oder Bunker zu gehen, weil der Feind näher rückt. Auf Martins | |
Befehl bleiben wir im Hause. | |
Gute Stimmung herrscht vor in der Erwartung, daß in wenigen | |
Stunden alles Schwere vorbei ist. |
Am Abend verlegen wir das Nachtlager in den Keller. Couch, Liege- | |
stühle, Sessel, eine Matratze am Boden dienen als Nachtlager für | |
die achtköpfige Hausgemeinde: Conrads, Dorsten, Franzen, Müllenmeister. 14.9.44 Donnerstag. Am Morgen wird’s ernst. Schon zeitig wird aus dem | |
Artillerie-Beschuß ein Artillerie-Duell. Die Feinde pfeffern vom | |
Wald, die unsrigen antworten vom Osten und Norden (Soers) der | |
Stadt her. (Lousberg) | |
Wir hören, daß der Feind im Wahnbruch steht. | |
Die Ausfallstraßen vom Wald her liegene unter ständigem Feuer. | |
In der Richtung Ponttor, Ludwigsallee sieht man starke Ein- | |
schläge, auch in der inneren Stadt. Das Artillerie-Duell geht | |
stundenlang über uns her. | |
Im Morgen Ferngespräch mit Franz in Gelsenkirchen und Hanne | |
in Dortmund. Wir warten mit Spannung und hoffen, daß in 2 Stun- | |
den das Schwerste überstanden ist. | |
Am Morgen sprechen wir mit Soldaten, die von Eupen kommend, froh | |
sind, daß sie dem Aachener Wald entrinnen konnten. Sie fallen | |
aus den Wolken als sie hören, da; sie hier vor Aachen sind. Sie | |
sind matt und lustlos und denken nur an Gefangenschaft. Sie er- | |
zählen, daß der Feind in großer Überzahl ist und viel bessere | |
Ausrüstung hat als wir. auf unsere Frage, ob’s wohl gefährlich | |
sei draußen, antworten sie:"Hier ist es überall gefährlich." | |
Wir hatten noch allerhand Briefe geschrieben und wollten diese | |
ihnen zur Weiterbeförderung mitgeben. Das lehnten sie ab, weil | |
sie nicht damit rechneten, aus Aachen herauszukommen. | |
Nicht lange darauf kommen wieder zwei Soldaten gelaufen, atem- | |
los, zitternd. Sie laufen schnell, hoffen noch nach Osten zu | |
entrinnen. Bereitwiliig nehmen sie unsere Briefe mit. | |
Das Artillerie bzw. Panzerfeuer wird immer heftiger. Die Ein- | |
schläge nähern sich unserer Straße. | |
Wir sitzen dicht beisammen im Keller. Das Haus bebt unter den | |
Einschlägen, die von der Gartenseite herkommen. Grüße Amerikas | |
aus dem nahen Aachener Wald. | |
Kaum eine Pause! Kaum ein Nachlassen. Ein fester Schlag - das | |
Licht ist aus und bleibt erloschen im ganzen Haus! | |
Nach beendetem Eisenregen wagen wir uns nach oben und gewahren | |
die Zerstärung an der Hinterfront. | |
Wie von einem Bombenangriff sind die Scheiben zertrümmert in | |
Eßzimmer und Küche. Granatsplitter durchquerten die Vitrine | |
und bohrten Löcher in die Wand. Böden, Möbel, alles voll Staub, | |
Dreck, Gebröckel. Splitter! | |
Am Abend stehen wir am Straßenrand im Gespräch mit zwei vorüber- | |
gehenden Soldaten. | |
Ein Soldat ruft:" Achtung! Splitter!" Wie die Katzen schnellen | |
wir an die Wand, liegen flach auf dem Boden. Sekundenlang pras- | |
seln die Splitter um uns. Bange Sekunden! |
Neue Nacht, neues Raten und Zweifeln um den nächtlichen Aufenthalt. | |
Martins Befehl: "Wir bleiben im Hauskeller" siegt. | |
Im Keller brennt die gesegnete Kerze, während wir in groüer Gefahr | |
gemeinsam den Rosenkranz beten. | |
Von heute ab gibt’s kein Licht, kein Trinkwasser mehr. Wir sind | |
ohne Radio, ohne Zeitung, abgeschnitten von der Außenwelt. 15.9.44 | |
Freitag. Die Nacht im Keller war ziemlich ruhig. Am Morgen lebt | |
das Feuer wieder auf. Melken - Kochen! Unmöglich! | |
Gestern noch feudales Kaninchenessen mit Pudding - heute einfache | |
Milchsuppe. Wir hocken zumeist im Keller, sehen Waffen SS vor- | |
beigehen, hören ihren Panzer. | |
Gegen 10 Uhr schweres Artilleriegetöse um uns. Das Haus erzittert, | |
bebt in seinen Grundfesten. | |
Wir sitzen eng zusanmengekauert in der äußersten Kellerecke bei | |
der gesgneten Kerze. Zum Lautbeten fehlt uns der Atem. Annni | |
weint bitterlich. | |
Am Hachmittag erscheinen feindliche Tiefflieger. Bordwaffenbeschuß! | |
Sobald die Flieger weg sind, beginnt wieder das Artillerie-Duell. | |
So geht das abwechselnd den ganzen Tag. Ohne Ende! | |
Wir sitzen in Keller, denn es pfeift und zischt dauernd um uns. | |
Tagsüber gehen Soldaten über die Straße. Sie stoßen | |
überall die Gartentörchen auf, auch bei uns, als gelengentliche | |
Deckung. | |
Nikolin erzählen, die von Amerikanern besetzte Gallwitz-Kaserne | |
soll entsetzt werden durch unsere Waffen SS. Alles das senkt | |
unseren Mut. - Wie die lange soll unsere Kellerhaft noch andauern? | |
Wir beginnen, auszurechnen, wie lange die Hausvorräte noch für | |
8 Personen ausreichen. | |
Bis 9 Uhr dauert der Beschuß. | |
Am Spätabend kommt Martin heim von Dr. Schul, bringt von dort | |
gute Stiumung mit. | |
Die Stollenleute gehn nur noch ait weißer Armbinde vor die Tür, | |
weil ihnen gegenüber im Brimborner-Wäldchen die Amerikaner zu | |
sehen sind. | |
Dem Wäldchen gegenüber unsere Stellung! Zwei Verwundete werden | |
in den Stollen gebracht. Sie fragten gleich "Sind noch von den | |
braunen Lümmels SA oder SS hier?" "Nein!" "Sonst hätten wir sie | |
auch kaputt gemacht!" | |
Gemeinsames Abendgebet im Keller bei guter Stimmung. - Bis in | |
die zweite Hälfte der Nacht pfeffert die schwere Artillerie des | |
Feindes vom Wald her über die Stadt hinweg, manchmal auch in die | |
Stadt hinein. Mutige wollen oberirdisch schlafen, kommen aber | |
bald herunter. Nur Martin und Franz bleiben oben. |
Samstag. Dichter, fallender Morgennebel! Es wird heller, es | |
beginnt der Kampf, vornehmlich mit Granatwerfern. Einschläge | |
in unserer Nähe. Von ferne hört man den Rhytmus des rollenden | |
Panzers. | |
Eiliges Kaffeekochen! Frühstück gemeinsam unterirdisch. | |
Kaplan B. holt Franz ab zum Melken. Hier im Hause wartet man | |
den Zeitpunkt ab, da die Einschläge sich von uns entfernen. | |
Kaplan B. erzählt: "Noch ein Ausgang aus der Stadt, Jülicherstr. | |
ist frei. | |
Am Blücherplatz ist gestern die Partei gelandet mit 24 Autos | |
zum Abtransport der Stadtbewohner, 23 davon fuhren unbegehrt ab. | |
Die weiße Flagge, die das Volk gehißt hat, reißt die Partei herunter. | |
Nachdem die Parteileute wieder in die Weite gesaust sind, erscheint | |
erneut die weiße Flagge. SS in Zivil wurde von Zivilisten in der | |
Stadt entwaffnet. | |
Die Waffen SS verdrängt die Feinde bis zum Waldrand. Also ist | |
Amerika wieder etwas mehr von uns entfernt. Die Gallwitz-Kaserne | |
und der Nellessen Park gehören den Amerikanenn noch, | |
In der Stadt hat man die Geschäfte geplündert, sich reichlich mit | |
Alkohol versehen. | |
Nach Mittag wüstes Artillerie-Feuer von hüben und drüben. Einschläge | |
in unserer Nähe, an der Giebelseite des Nachbarhauses steigt dichter | |
Rauch auf. Wir kauern wieder in der Kellerecke bei der gesegneten | |
Kerze. | |
Dieses Drama wird abgelöst durch aufsteigende Flieger: 4 Deutsche, | |
8 feindliche. Es entspinnt sich ein Luftkampf, wobei ein Amerikaner | |
getroffen wird. Der Pilot kann sich noch mit dem Fallschirm retten. | |
Nähe Forster Kirche. Pfannschmidt verlassen in letzter Minute die | |
Stadt, nachdem sie vorher ein Schwein geschlachtet haben. Auf der | |
Höhe von Würseln sieht man Brände. | |
Noch eine Straße, Jülicher Str. soll frei sein. | |
Franz geht am Abend zum Bunker, um dort die versteckte Uliana frü- | |
heres Hausmädchen bei Conrads zu holen. Er kommt schwer getroffen | |
zurück, ohne Uliana. Unterwegs hörte er von einem Soldaten, Aachen | |
würde verteidigt und zwangsweise von Zivilisten geräumt. | |
Die nervöse Stimmung im Hause erreicht wieder einen Höhepunkt. | |
Martin hat Gewalt nötig, die Vernunft zur Geltung zu bringen. | |
Gegen 1/2 6 beginnt eine Totalverneblung von Wald und Stadt. | |
Amerikanische Flieger werfen Nebeltöpfe herunter. | |
Die Fliegerverbände erscheinen immer zahlreicher von der Feind- | |
seite her. | |
Philipp diktiert:"Zwischen 7 und 8 Uhr vollständige Vernebelung | |
der Gemüter." | |
Im Anschluß an die Vernebelung beginnt die Dämmerung. Diese Tar- | |
nung benutzen die Amerikaner wohl, um näher zur Stadt zu kommen. |
17.9.44 Um 1/2 7
stehe ich auf. Martin ist auch schon da in
Militärkleidung
und macht sich abfahrtsbereit, da heute sein Urlaub zu Ende
geht.
In unserer Kellerküche richte ich ihm Frühstück und Proviant zum | |
Mitnehmen. Während ich eilig mit Messer und Brot hantiere, stürzen | |
plötzlich erregte Geister die Treppe hinunter mit dem Ruf:Ameri- | |
kaner um unser Haus! | |
Nun wagt sich niemand mehr hinaus. Auch Martin muß bleiben, um | |
nicht unbewaffnet in die Hände der Amerikaner zu fallen. | |
Gegen 10 Uhr schleicht Kaplan E. vorbei zum Stollen, den Meßkof- | |
fer in der Hand. Bei jedem Artillerie-Schuß duckt er sich hinter | |
einem Gartenpförtchen. Man kann nur noch auf dem Bürgersteig der | |
Häuserreihe entlang gehen und mit größter Vorsicht, denn unsere | |
Straße ist schon ganz vermint. | |
Den ganzen Tag donnern die schweren amerikanischen Geschütze vom | |
Südosten her zum Nordosten der Stadt hin. Gegen 12 Uhr erscheint | |
ein Nachbar. Er berichtet von einen Major, der alle Häuser auf | |
deutsche Militärpflichtige absuchen lassen will. | |
Aus dem Stollen erfuhr man, daß der Feind dem Divisionskonnandeur | |
Graf Schwerin eine Verhandlung zwecks Übergabe der Stadt brieflich | |
angeboten habe. Graf Schw. überläßt dem zivilen Stadtoberhaupt die | |
Entscheidung. Dieser schickt die Frage zur Entscheidung nach Berlin | |
zum Führer. Graf Schw. wird sofort zum Führer bestellt. Er soll | |
vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Darauf erbittet er sich die | |
Freiheit, Aachen zu verteidigen, bevor er sich dem Gerichtshof stelit. |
Augenblicklich heftiger Tiefangriff der Jagd Bomber auf die deutsche | |
Stellung mit Bordwaffen und Explosivgeschossen. Von SS Soldaten | |
hören wir, daß der Feuerring um Aachen geschlossen ist. Also bleibt | |
keinem von uns eine Wahl. | |
Der Feldwebel in unserer Nähe will sich mit seinen 3O Mann ergeben. | |
Allein seine Leute wollen nicht, sie hoffen, zu entkommen. Viele | |
von ihnen tragen einen Zivilanzug unter dem Militärrock. | |
Von 2. Stock aus sehen wir, wie die Jülicherstr. unter Feuer liegt, | |
kurz vor Haaren. Martin überlegt, ob er nicht doch fort | |
kann. Seit dem Mittagessen dauernd lebhafte Feindfliegertätigkeit. | |
Dazu das gewohnte Bombardement. | |
Gegen 3 Uhr Ende des Luftangriffs. Vom Drimborner Wäldchen her | |
spricht ein amerikanischer Lautsprecher. Den ganzen Tag sind bei | |
uns die Rolläden vor, damit kein Major oder Soldat auf den Gedan- | |
ken kommt, unser Haus berge wehrfähige Männer. | |
Am Nachmittag schleichen Martin und Franz C., der zum Arbeits- | |
dienst verpflichtet ist, durch ein Heckenloch in Schleichers | |
Haus, um am Abend, nachdem der Herr major die Häuser abgesucht hat, | |
heimzukehren. Als die beiden Jungen fort sind, sitzen wir im Keller | |
und beten gemeinsam den Rosenkranz. | |
Flintenschüsse, Handgranaten um uns! Wir gehen zeitig zu Bett | |
mangels Wachslicht. Die Lagerstätten sind teils im Erdgeschoß, | |
teils im Keller. Im Erdgeschoß auf dem Boden, in geschützten | |
Ecken liegen Anni, Lilli, Fine. Marianne, Philipp und ich sind | |
im Keller. Immer noch Nachtkampf zwischen Spähtrupps um uns herum. | |
Um 1/2 2 Uhr werden wir aufgeschreckt durch nahe Granateneinschläge. | |
Wir hören das Glas klirren und riechen den Pulverdampf. Die Ober- | |
irdischen steigen zu uns herunter, und wir rücken etwas näher zu- | |
sammen. Gegen 5 Uhr schlafe ich ein. 18.9.44 Am Morgen immer Fehde zwischen den deutschen und amerikanischen | |
Spähtrupps. Beim Sonnenaufgang läßt die Kampftätigkeit nach. | |
Dichter Nebel. Von einer Nachbarin erfahre ich, daß man gestern | |
auf dem Rübenfeld hinter Pfannschmidt einen deutschen Soldaten | |
begraben hat. Ich überlege, um mit ihr zusammen im Stollen auf | |
Beverau Lebensmittel zu holen. | |
Für die dort weilenden 200 Personen gibt’s ab und an Zuteilung, | |
die auch noch für die Nachbarschaft ausreicht. Frau G. ist aber | |
zu ängstlich, mit mir zu gehen. Ihr Mann wurde nämlich gestern | |
von einem urplötzlich auftauchenden Amerikaner mit vorgehaltener | |
Pistole angehalten. "Soldat?" rief er. Nachdem er alle Taschen | |
durchsucht hat, glaubte er dem Mann die Verneinung. Der Morgen | |
bringt ein großes Reinemachen in allen Räumen, die gartenwärts | |
liegen. | |
Die Einschläge der Nacht haben merkliche Spuren hinterlassen. | |
Zwei Kaninchen sind tot, das dritte hockt schwer getroffen vor | |
der Haustür und bittet um Einlaß. Der Pfirsichbaum hat einen | |
Treffer mitten in die Krone. Die kostbare Pfirsichlast liegt zu | |
3/4 am Boden. Man sieht, wie die Granatsplitter von der Baum- | |
krone her auf die Hauswand und ins Haus hinein spritzten, Böden | |
und Fenster in Stücke reißend. Lillis Schlafzinmer (1. Stock) | |
ist mit 19 Einschlägen am schlimmsten getroffen. |
Im Dunkel kommen Martin und Franz unbemerkt zu uns herüber zum | |
Abendbrot. | |
Familie H. will auch ins Nachbarhaus übersiedeln, um mit Franz | |
und Martin ein verborgenes Dasein zu führen. Denn auch Herr H. | |
ist militärpflichtig und möchte keineswegs von Deutschen aufgespürt | |
werden. H. verschwindet zuerst lautlos durch die Hecke, später | |
Franz und Martin. | |
Wir sind alle sehr beschwert durch die Furcht vor den feind- | |
lichen Geschossen, mehr noch durch die Angst, von den "deut- | |
schen Freunden" entdeckt zu werden. | |
Im Fortgehen sagt Martin:"Kinder betet, davon hängt alles ab!" | |
Nachdem diese fort sind, halten wir gemeinsames Abendgebet, | |
lang und inständig. 19.9.44 Die Nacht ist verhältnismäßig ruhig. Gegen 10:22 gewahren wir | |
einen Einschlag in unserer Nähe, das gewohnte Klirren und Knacken. | |
Am Morgen sehen wir, daß Eberts Haus gegenüber schwer getroffen | |
ist. Die Splitter dieses Treffers gingen auf unser Haus und tra- | |
fen die Scheiben der Vorderfront. Auch an der Giebelseite sind | |
die Scheiben kaputt. | |
Nach 9 Uhr Horgens beginnt die schwere amerikanische Artillerie | |
ihre Arbeit. Die Einschläge liegen im Hirschenbüschchen, wo wie- | |
der die Deutschen sitzen. | |
11 Uhr gemeinsames Frühstück. Vor den schweren Einscnlägen ver- | |
kriechen wir uns in die Kellerecke, hocken dort bis Mittag. | |
Franz erscheint und bringt eine amerikanische Wochenzeitung, die | |
in rauhen Mengen auf die Nachbaruiese abgeworfen wurde. Der ameri- | |
kanische Bericht sagt, daß Aachen von allen Seiten eingeschlossen | |
ist, nur zwischen Merkstein und Weisweiler ist noch eine Lücke | |
frei. Also kann nur noch die Krefelderstr. einen Ausgang aus | |
Aachen bieten. Eilendorf, Eschweiler, Stolberg, Röthgen sind in | |
anerikanischer Hand. | |
Franz requiriert einen herrenlosen Tempo-Wagen, bringt damit | |
Brot für uns und für den Stollen, auch Maggi, Papier, eine Petro- | |
leumlampe. | |
Bis zum Abend Artillerie-Beschuß. Allerhand Einschläge, doch ferne | |
von uns. | |
Gegen 11 Uhr schwere Einschläge hinterm Haus, ähnlich Bombenein- | |
schlägen. Das dauert bis 2 Uhr. 20.9.44 Deutsche Soldaten haben sich in den verlassenen Häusern der Sever- | |
au versteckt, daraus geschossen. Die Amerikaner antworten darauf. | |
Fast jedes Haus hat einen Treffer. Auch der Bauernhof Vondenbusch | |
ist ein Verteidigungsstand. | |
Da ein Aufenthalt in den oberen Räumen unmöglich ist, wird der | |
Herd heruntergeschafft in den Keller, wo sich dann allmählich | |
eine vollwertige Küche entwickelt, in der nun für 15 Personen | |
(Fami1ie A. zählt auch dazu) gekocht und gebacken wird. |
21.9.44 Die letzte Nacht verlief wesentlich ruhiger als gewohnt. Nur mäßi-
ges Artillerie-Feuer!
Im frühen morgen gehen Anni und ich auf’s Kartoffelfeld zum Ernten. | |
Unbedingte Notwendigkeit für die Küche. | |
gegen 13 Uhr gehn 2 Urlauber vorbei, wollen Verwandte auf Beverau | |
besuchen, nachdem sie vergebens versuchten Brand zu erreichen, | |
das schon in amerikanischer Hand ist. | |
Tagsüber beiderseitige Artillerie-Tätigkeit. Scheinbar handelt | |
es sich um die Eisenbahnbrücke (Bahndamm), die in der Feuerlinie | |
der Deutschen liegt. 22.9.44 Die Nacht verlief schön ruhig, nur entfernte Artillerie Einschläge. | |
Am Morgen sind wir zeitig bei Opitz, holen Bedarf für die Küche, | |
während die amerikanische Artillerie über uns hinweg saust. | |
Dauernder Artillerie-Beschuß der Häuser auf der Beverau, wo unsere | |
Soldaten sich eingenistet haben. Mehrere Häuser brennen nieder. | |
Die Beverau wird ein Trümmerfeld. Vie1e Häuser sind schwer getroffen. | |
Es ist auch gefährlich für die Zivilleute im Stollen, daß Soldaten | |
darin ein- und ausgehen, sogar davor stehen. | |
Die Amerikaner besitzen Kirschenbüschchen, Brimborner Wäldchen, | |
Nellessen-Wald, mithin auch die linke Seite unserer Straße, gegen- | |
über sind die Deutschen. | |
Am Nachmittag fährt ein deutscher Panzer vor, hält wenige Häuser | |
unter uns in der Helfferichstraße. Er soll 200 Schuß auf den | |
Amerikaner abgeben. Beim 2. Schuß Rohrkrepierer. Der Panzer | |
muß abziehen. Ein neuer Panzer erscheint und zieht wieder ab | |
mit dem gleichen Mißerfolg. | |
Kaplan B. ist unermüdlich in seinem Eifer für das gestige und | |
leibliche Wohl der Anwohnerschaft. Regelmäßig hl. Messe im | |
Stollen oder in dem Keller eines Hauses. Heute Abend 7 Uhr | |
hl. Messe bei uns im Keller, nachdem wir den Altar hergerichtet | |
haben mit den letzten Blumen und dürftigem Kerzenlicht. | |
Eine große Anzahl Nachbarschaft ist anwesend. Kaplan.B. erteilt | |
allen die Generalabsolution, alle empfangen in feierlichem au- | |
genblick die hl. Kommunion. | |
Am Abend haben wir noch Gelegenheit, einem Soldaten Briefe mit- | |
zugeben, die ins Reich reisen sollen. 23.9.44 Artillerie und Panzerbeschuß wie gewohnt, besonders heftig | |
um Mittag. | |
Abends 7 Uhr hl. Hesse in unserem Keller, 26 Teilnehmer. | |
Heftiger Brand am östlichen Horizont. 24.9.44 Unruhige Nacht! Ein Panzerauto fährt dauernd hinter unserm | |
Haus herum, gibt dröhnende Schüsse ab, bald fern, bald nah, | |
bis 5 Uhr. | |
In der Morgenfrühe sprengen deutsche Soldaten die Eisenbahn- | |
brücke zur Helfferichstraße. Bei Prang dringen deutsche Sol- | |
daten ins Haus, durchwühlen die Schränke, rauben. |
25.9.44 Ruhige Nacht!
Am Morgen brennt auf Beverau die Häuserreihe ab, die der Feind- | |
stellung am nächsten ist. Amerikaner warfen die Brandfackeln | |
hinein. Zu 20 Mann dringen sie in ein weiteres Haus ein. Von | |
den darin versteckten Soldaten wird einer Gefangener, der andere | |
bleibt tot. Dann treten die Amerikaner an den Stollen heran, | |
durchsuchen ihn nach Soldaten und Waffen, ohne Erfolg. | |
Große Vorbereitungen in unserer Kellerküche! Die Stollenleute | |
haben ein Schwein geschlachtet, wovon reichlich auf unsere 15 | |
köpfige Eßgesellschaft entfallen ist. | |
26.9.44 Nachts, 2 Uhr erscheint die Polizei vor dem Stollen. Befehl: | |
Der Stollen muß sofort geräumt werden. Seine Insassen machen | |
sich bereit zum Abtransport ins Reich! Manche gehen noch wäh- | |
rend der Nacht mit, andere warten bis zum Morgen, eine Menge | |
überlistet die Polizei und bleibt, setzt sich in leer stehende | |
Häuser, bis zu 20 Mann in 1 Haus. | |
Franz meldet uns das, noch ehe wir aufstehen. Folge; Größte | |
Angst und Aufregung! Wir befürchten, daß die Polizei auch die | |
Häuser durchsucht und räumt. Was wird dann aus uns? Wir bangen | |
um Franz und Martin. Martin kommt unbemerkt zu uns herüber. | |
Mit größter Mühe erreicht er, daß nach seinen Anordnungen alles | |
ruhig bleibt, so als ob niemand in unserem Haus wohne. | |
Vom frühen Morgen bis zum Spätnachmittag anhaltender strömender | |
Regen! Wir freuen uns, daß es Regenwasser zum Kochen und Reini- | |
gen gibt. Aber o weh! Zahlreiche Löcher im Dach lassen das edle | |
Naß in Bächen und Bächlein durchfließen ins Haus durch die Zim- | |
merdecken, teils bis zum Erdgeschoß zeigt es deutliche Spuren. | |
Es gibt nicht Kannen und Kübel genug um die Seeen aufzufangen | |
auf dem Speicher, im 2. und 1. Geschoß. | |
Im Nachmittag klopfen Braunsdorfer an die Haustür. Sie wollen sich | |
verabschieden vor ihrer Abreise ins rechtrheinische Land. Sie sind im | |
höchsten Grade nervös augereiben durch Packen und | |
Schleppen, durch die gewaltsame Trennung von Hab und Gut. Sie | |
lassen sich ganz beeindrucken von Schauermärchen, die man den | |
Unschlüssigen Abwanderern vorhielt: Erschießen der Zivilisten, | |
Unterrminierung ihrer Häuser, Zerstörung durch Flammenwerfung! | |
Die phantastische Darstellung der Ereignisse wirkt aufreizend | |
auf die schon so oft gequälten Nerven unserer Hausinsassen. | |
Neue Unentschlossenheit, angsterfülltes Schwanken zwischen Blei- | |
ben oder Abwandern greift wieder Oberhand. | |
Martin hat Vernunft und Gewalt nötig, um wieder eine zum Bleiben | |
entschlossene Einheit herzustellen. | |
27.9.44 Wir bleiben verschlossen im haus, schleichen nur durch den Gar- | |
ten herüber zu Familie H., um ihnen regelmäßig die 3 Mahlzeiten | |
zu bringen. Oft kommen die Töchter H. das Essen holen. |
28.9.44 Artillerie-Beschuß!
Deutsche Soldaten werden seltener in der Helfferichstraße. | |
In unserer Nachbarschaft gibt es nur Spähtrupps und Vorposten. | |
Der Gefecntsstand ist in Rinkens Haus, 6 Häuser über uns. | |
Deutsche Kampflinie, Ziel der amerikanischen Artillerie ist | |
der Bahndamm, etwa 50 m hinter uns! | |
Heute hat Burscheid manchen Treffer auszuhalten. | |
Wir hoffen von Woche zu Woche auf Befreiung. Bei Cohnen wurde | |
ein Kalb geschlachtet. Auch für uns und Horbach gibt’s reichen | |
Anteil. | |
29.9.44 Nach Mittag kreisen stundenlang Tiefflieger, arbeiten mit Bord- | |
waffen und Bomben. | |
Abends Arti1lerie-Tätigkeit. Einschläge den Wald entlang über | |
Preußweg bis Vaelser-Quartier. |
30.9.44 Ruhige Nacht! Ruhiger Morgen! Draußen Nebel!
Franz bringt den deutschen Wehrmachtsbericht, erfuhr ihn durch | |
Nachbar Hanrads, der mittels Detektor hört. Es heißt, die Divi- | |
sion Schwerin soll durch eine neue abgelöst sein. Diese habe | |
den Auftrag alle Zivilisten gefangen zu nehmen. | |
Martins eindringliche Mahnung, unbemerkt im Hause zu verbleiben, | |
ist immer wieder nötig. | |
Nachmittags dringen deutsche Soldaten vom Bahndamm herauf bis | |
auf die ehemalige Flakstellung. Ein amerikanischer Vorposten | |
wird verwundet. Er heftet einen weißen Lappen an den Rock, kriecht | |
auf den Knieen mühsam vor bis zum Gegner. Dieser führt in fort | |
bis auf den Gefechtsstand in Rinkens Haus. | |
6 deutsche Soldaten suchen die Flakstellung ab, verkriechen sich | |
dann in einer Hecke, wo zuvor Ein-Mann-Löcher gegraben wurden. | |
Es ist die Heche, die auf der benachbarten Wiese rechtwinkelig zu | |
unserem Haus verläuft. | |
Nun aber gibt’s Feuer von der amerikanischen Stellung her auf | |
die Buschhöhe hinter der Flakstellung. Das geht auf die Flak- | |
wiese, die Querhecke, die Gärten unserer Häuserzeile, auch auf | |
den Bahndamm. Eine Flakbude brennt. | |
Große angstpsychose in unserer Kellerbehausung! Anni ist zu | |
ängstlich, ins Bett zu gehen. Philipp ist noch bis zum Morgen | |
in größten Angstnöten, will abermals abwandern ins Reich. An | |
diesem Tage merken wir so recht, wie die Not von Tag zu Tag | |
wächst | |
Ich erinnere mich, daß in Bälde (7.X.) Rosenkranzfest zu Ehren |
Maria-Viktoria ist als Erinnerung an die
Rosenkranzkönigin, die
1571 durch ihre mächtige Fürbitte den
wunderbaren Seesieg bei
Levanto über die Türken vermittelte und
das Abendland vom Halb-
mond_befreite. Wer zählt die wunderbaren
Erfreiungen, die seitdem
durch die Fürbitte der Maria Viktoria geschehen
sind?
Wir sind uns einig, heute die Novene zu Ehren Maria Viktoria zu | |
beginnen. Auch das Nachbarhaus tut mit. Das Bildnis der Mutter- | |
gottes erhält einen Ehrenplatz im Keller. 1.10.44 Ruhige Nacht nach dem Sturm! Am Morgen werden die angstbewegten | |
Gemüter durch Martin wieder getröstet und mit neuer Entschluß- | |
Kraft gefestigt. | |
Regentag! Alle verfügbaren Gefäße stehn oben, reichen aber nicht | |
aus zum Auffangen der eindringenden Wasserfluten. Das unwider- | |
stehliche Naß sickert durch und macht die Decken stellenweise zu | |
Brei. Mit beginnender Dämmerung wird das Wetter wieder gut. | |
Wir sehen Feuer auf Morsbach, Würselen; Rauch entsteigt dem Bahn- | |
damm, der Häuserreihe Turpinstraße, die durch den ständigen Be- | |
schuß des Bahndamms viel auszuhalten hatte. | |
Plötzlich sehen wir einen Nahkampf zwischen den Stoßtrupps hinter | |
unserem Haus. Das Feuer der Gewehre, M.G. und Handgranaten geht | |
hin und her, her und hin zwischen Bahndamm und Querhecke, wo die | |
Deutschen sitzen, und dem Gehölz auf der Höhe, das dem Amerikaner | |
gehört. Da es dämmert, erkennen wir die Feuerkugeln deutlich, die | |
wie die Bälle spielender Kinder gut gezielt durch die Luft fliegen. | |
Ende des Kampfes: 6 der Deutschen in der Hecke nehmen Reißaus in | |
Richtung Bahndamm! | |
9 Uhr Bettruhe! | |
Es beginnt stundenlanges, pausenloses Bombardement mit allerhand | |
Schußwaffen. Das Haus bebt. 2.10.44 Nachmittag! Die Querhecke und Umgebung liegen unter Artillerie- | |
Beschuß durch die Amerikaner. Die Deutschen beschießen den Wald, | |
die Artillerie-Stellung der Amerikaner. Am Abend klopft wieder | |
U. Bransdorf an unsere Kellertür. Sie hat es gewagt, von rechts- | |
rheinisch her noch einmal vorzudringen nach Aachen, zu ihrer Woh- | |
nung, um Sachen zu holen. Ein großes Wagnis! | |
In nervöser Überspanntheit sprudelt sie am laufenden Band Schauer- | |
mären heraus über ihre Reise, besonders aber über die katastro- | |
phalen Gefahren, die den in der umkämpften Stadt Aachen verblei- | |
[hier fehlt ein Teil des Textes] | |
faszinierenden Gewalt, daß die Gemüter der anwesenden ganz davon | |
gefangen wurden. Eine Einrede oder Widerrede zur Vernunft war un- | |
möglich. | |
Und so begaben wir uns mit diesen Eindrücken zu Bett ohne einen | |
ruhigcn Schlaf zu finden. Der Gedanke an Abwanderung zermarterte | |
wieder die Köpfe. | |
Lilli hat in der Nacht starke Herzbeschwerden, muß aufstehn und | |
zu einem Medikament greifen. 3.10.44 Am frühen Morgen, noch vor dem aufstehn gehn wir die Schauerar- | |
gumente zu unserer Abwanderung, die man uns einreden wollte, noch |
einmal durch, erkennen die frappanten
Widersprüche, den phantasti-
schen Unsinn der nervös überspannten
Erzählerin. Noch ehe wir auf-
stehn, hat die Vernunft gesiegt. In unserer Schlafstube
denkt kei-
ner mehr an Abwandern.
U. Br., die über Nacht unser Gast war, Verläßt uns wieder am | |
Morgen, um noch einmal ihr Haus aufzusuchen, um alsdann wieder | |
nacn rechtsrheinischem Gebiet zu verschwinden. Diese Gelegenheit | |
benutzen wir, U. Br. noch einige Briefe mitzugeben, die wir schnell | |
am Morgen verfaßten. 4.10.44 Morgens großes Organisieren bei Opitz! Lilli, Anni, Marianne sind | |
eifrig tätig. Die Versorgungsfrage für unsere 13 köpfige Gemein- | |
schaft ist wieder für eine Zeitlang gelöst. | |
Nachmittags Spähtruppgefecht in der Gegend der Flakstellung hinter | |
unserm Haus. Ein Verwundeter, mit einem Zivilmantel bekleidet, | |
ohne Kopfbedeckung, wird von 2 Soldaten heruntergebracht. Ein | |
beschossenes Haus brennt ab! Spät Abends fernes Aufblitzen von | |
Artillerie-Feuer am südöstlichen und nordwestlichen Horizont. 5.10.44 Am Morgen großes Heimholen von Obst. Namentlich Äpfel! | |
Anni trifft bei Opitz mit einem Feldwebel zusammen, der sie mahnt, | |
sich ja nicht sehen zu lassen, er sagt, daß die Wehrmacht keine | |
Zivilisten dulde im Kampgebiet. Auch Frau Gerhards traf mit einem | |
Soldaten zusammen, der Höchst erstaunt fragte:"Wie? sind hier noch | |
Zivilisten? Wissen Sie nicht, daß Sie mitten im Kampfgebiet sind?" 6.10.44 Nachts hörten wir dauernd die reißenden Einschläge der Granat- | |
werfer, dicht um unser Haus herum gehn die Treffer. Am Morgen | |
sehen wir den Kirschbaum umgelegt. | |
Pfannschmidts Haus hat einen Treffer. Den ganzen Morgen rege | |
Tätigkeit von Jagdbombern, dazwischen dauernd Granatwerfer. Ein | |
Einschlag gerade vor unserm Haus, als ich am Fenster sitze und | |
auf die Straße schaue. Schwarzer Dampf und etwas Schrecken! | |
Der Bauer Peters, der mit Waffengewalt gezwungen wurde seinen | |
Hof zu verlassen, ist Heimgekehrt. Der zweite Versuch, sich vom | |
Flüchtlingsstrom zu trennen, gelang ihm in Gürzenich bei Düren. | |
Er hat noch 2 Beverau-Bewohner mitgebracht. Da das Gut Peters | |
in Händen der Amerikaner ist, kehren die 3 in Prangs Haus ein. 7.10.44 | |
Über Nacht ständig Kampftätigkeit, Granatwerfer grei- | |
fen an. Baltes ist als Soldat mit seinem Militärmotorrad unter | |
dem Schutze des Nebels noch einmal in die Stadt gekommen, herauf | |
zur Helfferichstr., um noch ein letztes Mal Sachen zu holen, da | |
ein Ein- und Ausschlupf nach bzw. von Aachen fast unmöglich ist. 8.10.44 | |
Eine Nacht, wie wir sie zuvor noch nie erlebten! 4 Uhr wachen | |
wir auf durch anhaltendes, dröhnendes Artilleriefeuer. Dazu | |
Panzerrollen und Panzerschießen - bis 1/2 2 Uhr ! Von deutscher | |
Seite fällt kein Schuß. | |
Bei hellem Tag lebt der Kampf um den Bahndamm wiederauf. Einschläge | |
dicht vor und hinter unserm Haus! Treffer in den Zaun am Erdbeer- | |
beet! Splitter in Lillis Wohnzimmer, durch dessen Wand in die | |
Vorratskammer hinein! | |
Ein Unteroffizier taucht im Gartentor gegenüber auf, scheu, geduckt, | |
nach oben und unten Ausschau haltend. Soldaten kommen von unten her. |
Diesen meldet er:"Wir haben keine Munition mehr,
die Panzer schies-
sen dauernd." Kein Soldat wagt mehr die
Straße ab und auf zu gehn.
Zum Gefechtsstand in Rinkens Haus schleichen alle, gut
getarnt,
durch die Hausgärten der rechten
Straßenseite. Scheinbar ist die
Telefonleitung zum Gefechtsstand zerstört. 3
Soldaten halten sich
in Barths Garten versteckt, sie buddeln sich ein in unserm
Garten,
graben nahe der Hecke 2 Löcher.
Dauernder Beschuß der Vorposten durch die Amerikaner! Dazu die | |
übliche Befeuerung des Bahndamms! | |
Wir gewahren Glas- und Pliesterschäden in nie gekanntem Ausmaß. | |
Die Straßenfront, die bis jetzt noch ziemlich heil war, weist | |
kein ganzes Fenster mehr auf. Das Badezimmer kann nur noch für | |
Luftbäder gebraucht werden. | |
Wir halten uns ganz eingeschlossen, reden nur mehr in Flüsterton. | |
Es ist unmöglich, den Nachbarn das gewohnte Essen zu bringen. | |
Kaplan B. hatte vor, 5 Nachmittags bei uns die hl. Messe zu fei- | |
ern. Da wir dieses für ausgeschlossen halten, verrichten wir 11 | |
Uhr gemeinschaftlich die Meßgebete im Keller-5chlafraum, heute | |
sehr ergriffen und andächtig mit Verehrung der Maria Viktoria, | |
zu der wir heute, am letzten Oktavtag ganz vertrauensvoll unsere | |
Zuflucht nahmen. Noch ehe unsere Andacht zu Ende ist, fliegen | |
plötzlich die Fensterscheiben in Splittern um uns herum und auf | |
den Tisch, hervorgerufen durch den Luftdruck eines Granatein- | |
schlags vor unserem Haus. Wir erschrecken, aber keinem ist ein | |
Leid geschehen. | |
Zum Mittagessen wird nicht gekocht, wir begnügen uns mit noch | |
vorhandenen Resten. Es herrscht auch eine Stimmung, die die Eß- | |
lust tötet. Schon wenn wir bedenken, daß unsere Nachbarn nun ganz | |
und gar von unserer Versorgung abgeschnitten sind. Ganz vorsichtig | |
beobachten wir durch die Rolladen-Ritzen das Tun und Treiben unse- | |
rer Soldaten, das Hin und Her zum und vom Befehlsstand. | |
Sie lassen sich das Obst in unserm Garten gut schmecken, am besten | |
die Pfirsiche, die sämtlich aufgezehrt werden. | |
Als Nachtquartier dient den Soldaten der Keller in Barths Haus. | |
In der Dämmerung wird hinter unserm Gartenzaun ein Kamerad mit | |
Bauchschuß auf einer Bahre herunter getragen. | |
Dieser Tag brachte auch allerhand Treffer in der Nachbarschaft. | |
Bodets Haus ist an der Giebelseite durch 2 Treffer furchtbar zer- | |
stört. Das Haus zur Eule hat auch wieder einen Hieb abgekriegt. | |
Der schönste Baum vor Eberts Haus ist zerstört. 9.10.44 Die Nacht über anhaltender Beschuß des Bahndammsl Noch ehe wir | |
aus den Betten sind, klopft es an unsere Kellertür. Es ist Franz, | |
begleitet von mehreren Amerikanern, die Einlaß begehren. Schon | |
stehen sie neben unseren Betten, begrüßen uns sehr freundlich, | |
ängstlich forschend, ob noch deutsche Soldaten in unserm Haus seien. | |
Wir hören, daß gestern schon die ganze linke Seite der Helfferich- | |
straße in amerikanischem Besitz war, das man nun schon Beverau |
und Helfferichstr. bis zu uns genommen habe.
In Rinkens Haus empfängt uns der Ruf der
Amerikaner:"Down!"
Mit ihnen steigen wir eilig in den Keller, wo gestern noch
die
deutschen Soldaten aushielten, während im
Obergeschoß bereits die
Amerikaner Hausherr waren. Ein Führer aus den
Reihen der Amerikaner
empfängt uns zur Begleitung bis zum Transporter.
Ehe wir die breite
Straße zum Waldrand überqueren, ruft uns
der Amerikaner zu:"Schnell
und in gebückter Haltung laufen!"
Wir durchwandern noch einige Straßen der zertrümmerten Beverau | |
und sind glücklich, den schützenden Wald erreicht zu haben. | |
Überall begleitet uns auf unserm Wege die Musiek der Schußwaffen. | |
Totes Vieh liegt, teils getroffen, teils verhungert, am Wege. | |
Wir sehn die Panzer, die Kanonen, gut getarnt durch Gebüsch, deren | |
Tätigkeit uns 4 Wochen lang beunruhigte. Es geht vorbei an der | |
Gallwitz-Kaserne, die unter dem Beschuß der Deutschen schwer ge- | |
litten hat, bis zur Wirtschaft Goldhausen, wo wir uns zu kurzer | |
Rast hinsetzen. | |
Als wir den Weg fortsetzen, erscheint ein Auto, das unser Gepäck | |
mitnimmt. Wir sind wesentlich erleichtert. | |
Über Lichtenbusch, dessen Häuser zum Teil verlassen sind, erreichen | |
wir Lintert, Endpunkt unserer Wanderung. Das Schulhaus ist ganz von | |
den Amerikanern eingenommen. Gatzweiler sind ausquartiert und dür- | |
fen ihr Haus nicht betreten. | |
Hinter einem kleinen Bauernhaus, der Schule gegenüber, harren wir | |
des Abtransports. Eine Menge deutscher Kriegsgefangener steht uns | |
gegenüber. Abgekämpft und elend, brüten diese stumpf vor sich hin. | |
Es ist verboten, sich ihnen zu nähern. In einer Waldwiese sehen | |
wir gut getarnte Kanonen, die andauernd mit dröhnendem Geräusch | |
über die Stadt feuern. Ein Amerikaner schreibt uns alle auf mit | |
Namen und Anschrift. Neugierig suchen wir immer wieder zu erkunden, | |
wohin denn nun eigentlich unsere Reise gehe. Es heißt dann:"Ihr | |
kommt in ein benachbartes Dorf, den Namen wissen wir nicht, viel- | |
leicht nach Eupen, vielleicht auch in ein Flüchtlingslager." | |
Zwei amerikanische Reporter gesellen sich zu uns, um über deutsche | |
Zustände und Parteiangelegenheiten allerlei zu erfahren. Wir sind | |
bedrückt durch das ungewisse Schicksal, dem wir entgegen gehn, | |
aber doch etwas getröstet durch die vornehme, höfliche Haltung der | |
Amerikaner uns gegenüber. - Von Gegnerschaft oder Haß gegen | |
Deutschland merkt man nichts, wohl aber, daß die Amerikaner ein | |
besonderes Verständnis für den katholischen Teil der deutschen | |
Bevölkerung haben. | |
Nach langem Warten fahren 2 Lastautos vor, die bestimmt sind, je | |
eins die Frauen und die Männer mit ihrem Gepäck aufzunehmen. Unsere | |
Fahrt geht über Oberforstbach, Hallset, Eynatten, Kettenis, Eupen | |
nach Homburg zum Flüchtlinslager. | |
Wir sind glücklich, die Kampfzone hinter uns zu haben, wieder | |
einmal friedliche Ortschaften zu sehen, die nicht durch Kampf | |
zerstört sind. | |
Unterwegs gewahrten wir eine Talwiese, mit ein paar Zelten, wo | |
Mengen deutscher Kriegsgefangenen standen. 10.10.4 "Das Einfachste, das Schwerste und das | |
Höchste, was ein Mensch tun kann: in aller |
Ausweglosigkeit dennoch zu vertrauen."